Wer, was, warum?
Hi, ich heiße
Franzi, bin in Süddeutschland geboren und aufgewachsen und habe im schönen
hügeligen Tübingen Englisch und Ev. Theologie auf Lehramt studiert. Vor vier
Jahren hat es mich für ein Erasmus-Semester nach Nordengland, genauer Durham,
verschlagen, wo ich auch meinen englischen Freund kennenlernte. Im Laufe
unserer Fernbeziehung habe ich viel über Großbritannien erfahren, habe
englisches Essen kennengelernt, bin in den Genuss der vielseitigen Dialekte
gekommen, habe Land und Sitten lieben und kennengelernt – zumindest dachte ich
das bis dato.
Vor etwas mehr
als einem Jahr habe ich mein Studium beendet und bin mit Sack und Pack nach
Liverpool gezogen um mit meinem Engländer zu leben. Was soll ich sagen? In
einem Land zu leben oder es nur in monatlichen Abständen zu besuchen ist ein
großer Unterschied und es ist mir bewusstgeworden, dass ich während der 3 Jahre
Fernbeziehung wirklich nur kleine Facetten dieser Insel kennengelernt habe. Hier
zu leben, zu arbeiten, Radio zu hören, zum Arzt zu gehen usw. – all diese
kleinen alltäglichen Erfahrungen haben mir zu einem viel umfangreicheren und
tieferen Verständnis der englischen Kultur verholfen. Aber nicht nur das! Das
Leben hier hat mir auch mehr als je zuvor meine eigene deutsche Herkunft, mein
Land und unsere Sitten vor Augen geführt.
Ich habe mich
selbst nie als besonders deutsch betrachtet und war ehrlich gesagt auch nie
wirklich stolz eine Deutsch zu sein – dazu trägt natürlich vor allem
Deutschlands Geschichte bei. Nach etwas mehr als einem Jahr in Liverpool hat
sich das jedoch sehr verändert: Ich stelle fest, dass ich in der Tat in vielen
Dingen SEHR deutsch bin – so vermisse ich unsere leckeren, knusprigen
Brotlaibe, die Brötchenvielfalt, Bäckereien im Allgemeinen; Backzutaten wie
Vanillezucker; Sommer ab Mitte Mai mit Mamas Erdbeerkuchen und Grillabenden. Klingt
bis hier in plausibel, aber was ist mit den ganzen stereotypischen
Eigenschaften, die uns Deutschen zugeschrieben werden? Pünktlichkeit, übertriebene bis
besserwisserische Genauigkeit, verrückt nach Wurstprodukten und praktischer,
funktioneller Kleidung, die direkte Art, Unfreundlichkeit, Effizienz und und
und…? Hätte mir vor zehn Jahren jemand all diese Eigenschaften zuschreiben
wollen, so hätte ich mich eventuell noch zur Pünktlichkeit bekannt und den Rest
als freche Stigmatisierung abgetan. Mit Beginn meiner englischen Liebe musste
ich mich dann doch schon zu ein paar mehr typisch deutschen Verhaltensweisen
bekennen. Und heute? Nach einem Jahr in England? Tja, es bleibt mir nichts Anderes
als lächelnd zuzugeben: Ich bin pünktlich, ich sage nicht „es ist warm“,
sondern „Meine Wetter-App sagt, es sind 16,4° Celsius“, ich betrachte die karge
Wurstauswahl spöttisch, bin grundsätzlich mit funktionellem Rucksack unterwegs,
benutze mehr Imperative als rhetorische (höfliche) Fragen und versuche durch
Listen höchst effiziente Tage zu schaffen. Und ich bin stolz drauf! Ja, ich bin
deutsch. Und Stereotypen kommen nicht von ungefähr.
Die Idee zu
diesem Blog kam mir als ich an einem Sonntagmorgen den Teppichboden unserer
englischen, dünnwandigen Wohnung staubsaugte. Ja, liebe deutsche Leser. AM
SONNTAGMORGEN. Am heilige Sunndich! Die Nachbarn haben es mit Sicherheit
gehört. ABER: Es ist egal. Nicht egal ist es im Gegenteil, wenn ich mich beim
Einsteigen in den Bus vordrängeln, die wartende Menschenschlange missachten und
mich beim Aussteigen nicht beim Busfahrer bedanken würde. Genau darum soll es
in diesem Blog gehen: um Einblicke in die denglische Kultur, sowohl für
englische als auch für deutsche Leser.
Wenn du also ein
deutscher Leser bist, der Englisch lernt oder gar in England lebt, du unser
Brot vermisst und nachts von Spätzle träumst, dann bist du hier richtig. Oder vielleicht
bist du ein Engländer, der sonntags den Rasen mäht und von seinen Nachbarn böse
Blicke erntet. Vielleicht interessierst du dich auch einfach nur für deutsche/
englische Rezepte, für kulturelle Unterschiede, Spracherwerb, Redewendungen,
Sprachbarrieren und Missverständnisse. Hier soll für all diese Themen Platz
sein – denn echtes Sprachgefühl basiert nicht auf stoisch gelernten Vokabeln,
sondern auf kleinen Details: landestypisches Essen, Musik und Fernsehen, mit
Muttersprachlern ins Gespräch kommen, das Aufsaugen von Lebensart und
kulturellen Besonderheiten. Ein Gefühl entsteht aus der Zusammenarbeit aller
Sinne – so auch das Sprachgefühl.
Ich hoffe sehr,
dass die denglische Lebensweise euch die Augen für die Schönheiten der kulturellen
Unterschiede und die großartigen Möglichkeiten des kulturellen Dialogs öffnet.
Viel Spaß beim Lesen, beim Backen und Kochen, beim Sprache fühlen. Schreibt
mir, stellt Fragen und erfreut euch an euren Wurzeln.
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